Über die Entstehung neuer/alter Räume und deren Prozesshaftigkeit
Kunst im öffentlichen Raum erschließt neue Kontexte. Sie lässt uns bereits bekannte oder längst vergessene Orte anders wahrnehmen und diesen neu begegnen. Es sind jedoch nicht nur die künstlerischen Werke, mit ihren jeweiligen Verhandlungen und ihrer Integrität, die uns dabei auf neue Gedanken bringen. Es ist vielmehr die Erfahrung thematischer Auseinandersetzungen, die im Rahmen von öffentlich zugänglichen Orten unweigerlich anders gelesen werden. Hier walten andere Gesetze in Bezug auf inhaltliche Rezeption und Interpretation.
Im Rahmen des Skulpturenpark Neustadt ziehen 15 künstlerische Positionen, versammelt von vier lokal-ansässigen Projekträumen temporär an einen Ort, welcher in gewisser Hinsicht ein Testament der sozialen und wirtschaftlichen Stadtentwicklung des Leipziger Ostens ist.
Ähnlich wie der Ursprung vieler „Off-Spaces“ – welche hauptsächlich in ehemals leerstehenden Ladenlokalen und Verkaufsflächen in der Gegend Zuhause sind – ist auch die Geschichte des Gartens eine von lokalen, geopolitischen und wirtschaftsökonomischen Faktoren geprägte: Nachdem die Brache um 1990 durch einen Abriss entstand, kam es in den 2000er Jahren zu ersten Gesprächen mit Bürger:inneninitiativen bis schließlich 2005 ein Bürger:innengarten eingeweiht wurde.
Diesem Ort liegen die Bedürfnisse der Bürger:innen aus der Nachbarschaft zu grunde. Er wurde beansprucht und (re-)aktiviert. Nun wird der Garten einmal mehr vom stillen Beobachter zum Akteur. Als Gastgeber und Schauplatz bestimmt er durch seine Gegebenheiten maßgeblich mit, wie sich diese Präsentation von skulpturalen Werken entfalten und in seine Geschichte einordnen kann. Eine Geschichte, welche diese Ausstellung, diese Zusammenkunft der lokal-ansässigen freien Szene weit übersteigt. Und dennoch reiht auch der Skulpturengarten sich durch verschiedene Mechanismen der Aneignung unweigerlich in den Entwicklungsverlauf dieses Ortes ein.
Losgelöst von komplizierten, intellektualisierten weißen Wänden, Neonlichtern und Glasfronten, spazieren Besucher:innen durch wildwachsendes Grün, umgewidmete Hügel und neu gewonnene Landschaften. Sie spazieren vorbei an einer Vielfalt aus Pflanzen, weggeworfenen Taschentüchern, benutzten Kondomen, durch die Büsche wo gepinkelt wird, entlang einer Hauswand voll mit Graffiti bis zu einer Feuerstelle. Ein Weg durch den Park führt derzeit aber genauso an den verschiedenen künstlerischen Werken vorbei.
15 Künstler:innen zeigen hier Arbeiten , die teils eigens für die Ausstellung konzipiert wurden und welche ihre Umgebung und den speziellen Charakter des Austragungsortes aufgreifen.
Begegnung ist ein Wort, welches gerade im Zusammenhang mit dem hier gegebenen Ausstellungsort von besonderer Bedeutung zu sein scheint. So ist nicht nur der Leipziger Osten oder der Bürger:innengarten eine Begegnungszone. Auch die Projekträume begegnen sich mit diesem Schulterschluss auf Augenhöhe. Vor allem ist es aber eine Begegnung diverser skulpturaler Praxen und deren Auslegungen eines zeitgenössischen Skulpturbegriffs. Objekte werden in diesem öffentlich zugänglichen Park (re-)kontextualisiert und Blicke werden neu gerichtet. In neue Richtungen geleitet, werden Beobachtungen und Reflektionen zu Begrifflichkeiten rund um Orte in Bewegung vereint. Nicht unter einem Dach sondern unter freiem Himmel findet sich hier eine Werkschau, die neue, alte Räume erschließt.
Der Skulpturenpark Neustadt ist eine gemeinschaftliche Initiative von Bistro 21, Fonda, Ideal Artspace, und der Kunsthalle.Ost mit freundlicher Unterstützung vom Neustädter Markt e.V.
Text Julius Pristauz
Beteiligte: Morten Bjerre & Andreas Lorck-Schierning, Max Brück, Christian Bär, Philipp Farra, Evgenij Gottfried, Lara Hampe, Kaupo Holmberg, Rafael Jörger, Tobi Keck, Nora Jil Helga Langen, Olga Monina, Manuel Schneidewind, Lea Schürmann, Mathias Weinfurter